Städteregion Aachen – Frauen für Frauen

Gewalt gegen Frauen: Beratungsbedarf nimmt weiter zu

Der Verein „Frauen helfen Frauen“ besteht seit 40 Jahren und zieht zu diesem Anlass eine „traurige Bilanz“ für die Städteregion.

Städteregion. Wenn der Verein „Frauen helfen Frauen“ auf sein 40-jähriges Bestehen blickt, ist das eigentlich kein Grund zur Freude. „Es ist eine traurige Bilanz, die wir unter dem Stichwort ,39 Jahre unabhängig – parteiisch – feministisch‘ in unserem Jahresbericht 2016 ziehen. Die Gewalt an Frauen nimmt nicht ab – im Gegenteil. Sie brauchen nach wie vor unsere Hilfe“, betont die Vorstandsvorsitzende Simone Schnittler.

Wenn nun Bilanz gezogen wird, sei die Gewalt gegen Frauen zwar nicht verschwunden, aber das Thema werde doch gesellschaftlich zumindest mehr als früher als Menschenrechtsverletzung wahrgenommen, wie die hauptamtliche Mitarbeiterin Natalie Djurkovic erklärt. Immer häufiger sehe man Werbekampagnen und Aufrufe mit dem Titel „Hinsehen statt Wegsehen“.
Und die vielen Angebote und Bücher würden zeigen, dass versucht wird, das Thema Gewalt gegen Frauen zu verstehen und präventiv dagegen vorzugehen. „Das Schamgefühl und die Angst, den immer noch als Tabu geltenden Vorfall öffentlich zu machen, sind nach wie vor groß.“
Angelika Gey,Sozialarbeiterin.

„Frauen helfen Frauen“ gliedert sich in die Begleitung und allgemeine Beratung sowie eine Interventionsstelle. In der Beratungsstelle werden mit den Klientinnen Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Notsituation erarbeitet und umgesetzt. Seit 2006 ist die Beratungsstelle „Frauen helfen Frauen“ zudem als Interventionsstelle für Opfer häuslicher Gewalt tätig.
2016 verzeichnete der Verein 1295 Einzelberatungen gegenüber 1133 im Jahr 2015. Auch die Zahl der beratenen Frauen und Mädchen hat sich im Vergleich zu 2015 von 552 auf 625 Kontakte erhöht. Die meisten Ratsuchenden sind zwischen 26 und 40 Jahren alt. „Dabei waren physische und psychische Gewalt, Trennungen, Scheidungen und Beziehungsprobleme sowie Sozialberatungen und damit existenzielle Sicherung im Vordergrund. Unsere Klientinnen kommen aus allen sozialen Schichten. Aber Krisensituationen häufen sich natürlich bei Armut oder Arbeitslosigkeit“, betont Sozialarbeiterin Angelika Gey.

„Ein großer Pluspunkt ist die offene Sprechstunde, bei der Frauen ohne Angabe von Namen, Adresse oder gar Krankenversichertenkarte sofort Beratung und Unterstützung vorfinden“, erklärt Gey. Die bestehende Schweigepflicht bei diesen anonymen Beratungen entfalle dann, wenn eine Gefahr für Leib und Leben der Frau oder ihrer Kinder erkennbar sei. „Wir haben ein multikulturelles und multilinguales Team, das unabhängig von Herkunft oder Religionszugehörigkeit berät“, betont Gey.

„Unsere Arbeit verlangt viel Zeit und Empathie. Zu uns kommen Frauen, die unter anderem wissen möchten, wie Trennungen oder Scheidungen ablaufen und Hilfe bei Behördengängen oder ähnlichem benötigen“, erklärt Diplom-Pädagogin Natalia Uslu, die bei Bedarf Russisch spricht.

Hauptaufgabe der Interventionsstelle ist die Beratung und Information betroffener Frauen aus der gesamten Städteregion auf der Grundlage des Gewaltschutzgesetzes. „Wir werden aktiv, wenn die Frauen das ausdrücklich wünschen. Die Polizei verweist bei jedem Einsatz im Bereich der häuslichen Gewalt auf unsere Interventionsstelle, aber nicht alle nehmen diese Hilfe in Anspruch“, betont Uslu. 2016 wurden der Interventionsstelle 193 Personen zugewiesen, 141 nahmen einen telefonischen Kontakt auf.

„Nur ein Viertel der Frauen sucht nach einem Polizeieinsatz die Interventionsstelle auf, nur zehn Prozent aller Gewalttaten an Frauen werden überhaupt angezeigt. Das Schamgefühl und die Angst, den immer noch als Tabu geltenden Vorfall öffentlich zu machen, sind nach wie vor groß“, betont Gey.

Ein weiteres Problem ist die Suche nach bezahlbarem Wohnraum für Klientinnen, die nach einer Trennung oder Scheidung ausziehen möchten. Die Frauenhäuser seien an der Grenze ihrer Kapazität angelangt und auch nur eine vorübergehende Zufluchtsstätte. „Es ist oft ein Rattenschwanz an Problemen, der die Frauen beschäftigt“, betont Gey. Mit vielen Veranstaltungen und Projekten habe man im Jahr 2016 darauf aufmerksam gemacht. Die Aktion „One Billion Rising. Tanzen für eine Welt ohne Gewalt, Sexismus und Ungleichheit“ hat sich mittlerweile am Valentinstag etabliert.

Infos im Internet unter: www.fhf-aachen.de

Quelle: Eifeler Nachrichten, Nina Krüsmann 

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