Städteregion Aachen – Frauen für Frauen

Interview mit Elke Ferner, Vorsitzende der AsF: „Die SPD lebt nicht, was sie politisch fordert“

Elke Ferner

Martin Schulz wollte seine SPD weiblicher machen – doch bislang hat das nicht geklappt. Viele der Spitzenpositionen in der Partei werden abermals von Männern besetzt werden. Einzig Andrea Nahles als Fraktionsvorsitzende bildet eine Ausnahme. Elke Ferner, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, ist enttäuscht.

DIE WELT: Frau Ferner, mit Lars Klingbeil als Generalsekretär hat nun abermals ein Mann einen Spitzenjob ergattert. Gibt es keine guten Frauen in der SPD?

Elke Ferner: Natürlich gibt es in der SPD gute Frauen. Es haben drei Frauen erfolgreich als Generalsekretärin gewirkt. Es wäre auch eine vierte möglich gewesen. Aber leider hat Martin Schulz keine nominiert.

DIE WELT: Haben Sie eine Erklärung dafür?

Ferner: Ehrlich gesagt, nein. Martin Schulz hatte sich stets dafür ausgesprochen, ein von ihm geführtes Kabinett paritätisch besetzen zu wollen. Ich verstehe nicht, warum er das nicht in seiner eigenen Organisation umsetzt.

DIE WELT: Für den Posten des Bundestagsvizes waren auch Ulla Schmidt und Christine Lambrecht im Gespräch. Sie haben aber beide ihre Kandidaturen zurückgezogen. Kann man von Frauen nicht erwarten, dass sie für eine Stelle kämpfen?

Ferner: In der Bundestagsfraktion ist das Verhältnis ausgeglichener. Dort haben wir mit Andrea Nahles ja erstmals eine Frau an der Spitze und mit Carsten Schneider einen Mann als Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer. Dass jetzt Schmidt und Lambrecht beide ihre Kandidaturen für die Vizepräsidentenposition zurückgezogen haben, hat mit Sicherheit nachvollziehbare Gründe. Das ändert aber nichts an dem Gesamtproblem, dass wir in der Parteispitze selbst kein ausgewogenes Verhältnis haben.

DIE WELT: Auch an der Basis nicht. Nur ein Drittel der SPD-Mitglieder sind Frauen. Sind Frauen vielleicht einfach weniger parteipolitisch interessiert?

Ferner: Das würde ich nicht sagen. Es ist viel eher so, dass wir in der SPD – ähnlich wie in anderen Parteien – Strukturen haben, die auf Männer zugeschnitten sind, gerade im ehrenamtlichen Bereich. Es fängt bei Kleinigkeiten an: Um wie viel Uhr lade ich zu Sitzungen ein? Lege ich Vorstandssitzungen auf Sonntagvormittag? Verlange ich, dass Parteimitglieder immer physisch präsent sind? Frauen, die versuchen, Job und Kinder unter einen Hut zu bekommen, können da oft nicht mithalten.

DIE WELT: Was fordern Sie?

Ferner: Wir brauchen an der Basis eine Veränderung der Strukturen – mehr Projektarbeit, weniger Präsenzpflicht, die Möglichkeit, sich für eine gewisse Zeit aus der Parteiarbeit zurückziehen zu können, ohne Abstriche zu fürchten. Unser Ziel ist, dass wir nicht nur den Frauenanteil in der Partei erhöhen, sondern auch eine paritätische Besetzung der Spitzenfunktionen in Partei und Fraktionen hinbekommen. Und da wir über Jahrzehnte hinweg gemerkt haben, dass das auf freiwilliger Basis meistens nicht funktioniert, brauchen wir satzungsmäßige Vorkehrungen.

DIE WELT: Was passiert, wenn die Parteispitze weiterhin in Männerhand bleibt? Fürchten Sie, dass dann Frauenthemen zu kurz kommen?

Ferner: Das mit den Themen ist nicht das Problem. Wir haben mit unserem Wahlprogramm ein sehr gutes Angebot für die Umsetzung der Gleichberechtigung. Aber noch lebt die SPD nicht, was sie politisch fordert. Die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der eigenen Organisation ist groß. Und damit haben wir auch ein Glaubwürdigkeitsproblem. Wie kann die SPD von Wirtschaft und Verwaltung etwas fordern, was sie selbst nicht umsetzt? Es mangelt bei uns nicht an den qualifizierten Frauen, sondern offenbar an dem Willen, das Potenzial, das wir haben, auch zu nutzen.

Quelle: SPD-AsF.de

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