Städteregion Aachen – Frauen für Frauen

Bericht aus Brüssel März 2017 – von Maria Noichl

Liebe Genossinnen,

der Monat März ist der Monat der Frauen. Und so war es auch in diesem Jahr. Drei Mal tagte der Ausschuss für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter, zudem gab es viele Veranstaltungen zum Thema gender pay und pension gap sowie zur global gag rule und ihren Auswirkungen. Seit meinem letzten Newsletter haben sich daher so einige Themen aufgestaut, über die ich heute berichten möchte.

Themen rund um den Internationalen Frauenkampftag

In den gerade angesprochenen Ausschusssitzungen ging es wieder um eine Reihe von Themen: Erfahrungen mit der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen in den Mitgliedstaaten, die Rolle der Selbstverteidigung in der Prävention von Gewalt und neue Daten zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dabei kristallisierte sich wieder die nach wie vor sehr ungleich verteilte Haus- und Pflegearbeit als eines der Hauptprobleme heraus: In Familien mit Kindern unter 7 Jahren arbeiten Väter im Durchschnitt 44 bezahlte und 20 unbezahlte Stunden, während Mütter hingegen nur 32 bezahlte, dafür aber 39 unbezahlte Stunden arbeiten. Dies merken Frauen nicht nur auf ihren Gehaltszetteln und Rentenbescheiden, sondern auch in ihrer wöchentlichen Zeiteinteilung. Denn viel Zeit für Freizeit oder Ehrenamt bleibt nicht.

Zudem gab es auch gemeinsam mit Parlamentarierinnen aus der ganzen EU eine festliche Sondersitzung des FEMM. Das Hauptaugenmerk der Diskussionen lag dabei auf dem wirtschaftlichen empowerment der Frauen. Dabei machte der neue Präsident des europäischen Parlaments, Antonio Tajani, gleich zu Beginn deutlich, dass die EU nicht ein gemeinsamer Markt, sondern vor allem eine gemeinsame Wertegemeinschaft sei. Die Gleichstellung der Geschlechter sei ein Pfeiler dieser Werte. Und die bekannte Aktivistin und Autorin Dr. Vandana Shiva zeichnete ihre Sicht einer anderen Welt unter der Führung von kreativen und vielfältigen Frauen auf. Zudem wurde im Verlauf der Sitzung eine Studie vorgestellt, deren Ergebnisse mir ganz besonders in Erinnerung geblieben sind. Die Studie der Global Indicators Group „Women, Business and the Law“ analysiert die rechtlichen Hindernisse beim Zugang von Frauen zum Arbeitsmarkt. Ihr findet sie im Anhang.

Daraus ein paar Fakten:

• 2016 verfügten nur 18, der insgesamt 173 betrachteten Länder, über eine komplett geschlechtsneutrale Gesetzgebung. Hierzu gehören beispielsweise die Niederlande, Spanien, Neuseeland, aber auch Peru, Armenien und Südafrika
• Mehr als 30 Länder haben mehr als 10 gesetzliche Einschränkungen für Frauen
• 107 Länder verfügen mittlerweile über eine Gesetzgebung, die Häusliche Gewalt unter Strafe stellt (hier ist die Lebenserwartung von Frauen höher als in Ländern ohne eine solche Gesetzgebung)
• Dort wo Anreize geschaffen wurden, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern (wie zum Beispiel die Vaterschaftszeit), ist nicht nur die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, sondern auch die Ungleichheit innerhalb der Gesellschaft geringer als in anderen Ländern
• Je mehr gesetzliche Einschränkungen (beispielsweise Berufsverbote) es gibt, desto geringer ist die Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt, desto größer ist das Lohngefälle und desto weniger Mädchen schließen die Schule mit einem Abschluss ab
• In Russland ist es laut der Studie Frauen beispielsweise verboten, 456 spezifische Berufe auszuüben, in Frankreich dürfen Frauen im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit nicht mehr als 25 Kilo heben

Gleichstellung: Beispiel Frankreich

Über Frankreich möchte ich auch in Bezug auf die letzte Sitzung des Ausschusses sprechen, die diese Woche stattfand. Die französische Ministerin für Familie, Kinder und Frauenrechte, Laurence Rossignol, zog in Anbetracht der anstehenden Wahlen Bilanz über die gleichstellungspolitischen Erfolge der sozialdemokratischen Regierung. Dabei waren ihr drei Punkte besonders wichtig:

1. Es wurden 50% mehr Budget für die Herausforderungen der Gleichstellung bereitgestellt als zuvor
2. Seit 2014 gibt es einen neuen gesetzlichen Rahmen für die Gleichstellung zwischen Frauen und Männern. Er beinhaltet eine große Bandbreite von Themen, wie zum Beispiel neue Anreize für Väter, Elternzeit zu nehmen, einen besseren Schutz von alleinerziehenden Müttern und ihren finanziellen Ansprüchen und eine verbesserte Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen
3. 2016 gab es in Frankreich einen Paradigmenwechsel beim Thema Prostitution. Ein neues Gesetz bestraft nun Freier und Zuhälter, lässt die Prostituierten aber straffrei und bietet vermehrt Hilfen an, um aus der Prostitution auszusteigen

Es verginge in Frankreich keine Woche mehr ohne eine Anklage wegen Diskriminierung oder auch (sexueller) Übergriffe. Die Ministerin wertete dies als positives Zeichen, die Dunkelziffer endlich auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Ein weiterer Angriffspunkt sei nun diskriminierende Werbung. Ich gebe ihr darin vollkommen Recht: Denn über das, was uns tagtäglich umgibt, werden teilweise sehr ungesunde Rollenerwartungen vermittelt.

Frauenmuseen in Deutschland

Nun möchte ich kurz einen Blick nach Deutschland werfen. Wusstet ihr, dass Deutschland weltweit die zweitgrößte Anzahl an Frauenmuseen hat? Damit kommen wir gleich nach den USA. Wer darüber mehr erfahren möchte, kann sich auf der Webseite der Internationalen Vereinigung der Frauenmuseen informieren: http://iawm.international/. Und hier ist die Liste der Museen in Deutschland, vielleicht gibt es ja auch eines bei euch in der Nähe:

• Das Verborgene Museum in Berlin: http://www.dasverborgenemuseum.de/; berlin@dasverborgenemuseum.de
• Frauenmuseum Berlin: http://www.frauenmuseumberlin.de; info@frauenmuseumberlin.de
• Frauenmuseum Bonn: http://www.frauenmuseum.de/; info@frauenmuseum.de
• Haus der Frauengeschichte in Bonn: http://www.hdfg.de/; info@hdfg.de
• Frauenmuseum in Bremen: http://www.bremer-frauenmuseum.de/; kontakt@bremer-frauenmuseum.de
• Museum Frauenkultur Regional International in Fürth: http://www.frauenindereinenwelt.de/; frauenindereinenwelt@web.de
• Frauenmuseum in Wiesbaden: http://www.frauenmuseum-wiesbaden.de/; info@frauenmuseum-wiesbaden.de

She decides

Viele von euch haben bereits von dem Projekt she decides gehört. Durch die Wiedereinführung der sogenannten global gag rule durch Präsident Trump können gemeinnützige Organisationen in Zukunft nur noch amerikanische Fördergelder erhalten, wenn sie Frauen in Bezug auf Schwangerschaftsabbrüche weder beraten noch diese durchführen. Die Niederlande und Belgien haben daraufhin die Initiative she decides ins Leben gerufen, um diese Entscheidung mit zusätzlichen Fördermitteln zu bekämpfen. Diese sollen es Frauen weiterhin ermöglichen, gut informierte Entscheidungen für sich und ihre Familien zu treffen. Die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Europäischen Parlament stehen hinter dieser Initiative. Unser Fraktionsvorsitzender, Gianni Pittella, hat bereits im Februar einen Brief an alle europäischen Regierungen geschrieben, um sie aufzurufen, den BelgierInnen und NiederländerInnen bei diesem Schritt zu folgen. Den Brief findet ihr hier.

Und she can do it

Vor ein paar Wochen wurde ich durch einige von euch auf ein uns allen wohlbekanntes Phänomen in Bezug auf eine Anhörung im Europäischen Parlament aufmerksam gemacht. Hier in Brüssel nennen wir es all male panel. Ihr wisst was ich meine: Eine Diskussionsrunde, bei der die Experten auch allesamt nur Experten, sprich männlich sind. Seit ein paar Wochen versucht eine Gruppe junger Frauen in Brüssel dies zu ändern. Ihr Plan? Eine Webseite und eine Datenbank, in der Expertinnen in verschiedensten Themenbereichen aufgelistet sein sollen. Damit wollen sie jenen, die immer behaupten, es gäbe keine Expertinnen, die man zu Veranstaltungen hätte einladen können, endgültig den Wind aus den Segeln nehmen. Hier findet ihr mehr zu der Initiative: https://brusselsbinder.org/ Und hier mein Video zu ihrer Unterstützung: https://www.youtube.com/watch?v=l9UbiN6RZys

Am Ende können wir uns doch immer auf eines verlassen: we can do it.

Mit feministischen Grüßen
Eure Maria
_______________________
Maria NOICHL
Mitglied des Europäischen Parlaments

Rue Wiertz 60, ASP 12G152
B-1047 Brüssel
Tel. +32-2-28-38157
Fax +32-2-28-49157
www.maria-noichl.eu

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